Das dialogische Interview


Im dialogischen Interview ermöglicht der Interviewer durch seine Haltung und Art der Gesprächsführung den Interviewten eine Entfaltung ihres zukünftigen Selbst. Der Interviewer verbindet sich mit seinem empathischen Zuhören mit den Interviewten, versetzt sich in die Personen und Situationen ein und freut sich über deren Geschichte. Er verbindet sich im Hören mit dem Werdenden und hört auf die höchsten zukünftigen Möglichkeiten der Interviewten.

Die Fragen formuliert der Interviewer im Fluss des Hervorbringens und vermeidet konfrontative Fragen. Schweigen kann Neues hervorbringen. Wenn der Interviewer das Tempo verlangsamen kann, hilft er den Interviewten, die tieferen Aspekte ihrer Geschichte, ihrer Arbeit und ihres Lebens zu ergründen. In einer staunenden., neugierigen und wertfreien Haltung steuert er absichtslos das Gespräch in das, was am Entstehen ist.

Zwölf Grundsätze für dialogische Interviews

  1. Vorbereitung
    Benützen Sie das Internet zur Recherche, lesen Sie über Ihren Interviewpartner/ Ihre InterviewpartnerIn, beschränken sie sich in der Vorbereitung auf eine Einstiegsfrage bzw. einige wenige Fragen, vereinbaren Sie einen Termin.
  2. Absicht, Intention
    »Die wichtigste Stunde ist die Stunde vor dem Interview.« (Joseph Jaworski); bringen Sie sich in eine Stimmung intensiver Offenheit und der Absicht zu dienen.
  3. Erster Kontakt
    Schaffen Sie Transparenz und Vertrauen bezüglich des Sinnes und Zweckes, sowie bezüglich des Prozesses. Stellen Sie möglichst früh Augenkontakt (Kontakt von Herz zu Herz) her.
  4. Verbinden Sie sich mit Ihrem Nichtwissen
    »Achten Sie auf die Fragen, die Ihnen einfallen und vertrauen Sie darauf; haben Sie keine Skrupel, einfache oder ›dumme Fragen‹ zu stellen«. (Edgar Schein)
  5. Stimme der Beurteilungen
    Lassen Sie diese Stimme beiseite und entwickeln Sie eine staunende Haltung.
  6. Empathisches Zuhören
    Verbinden Sie sich mit Ihrem »empathischen Zuhören«, versetzen Sie sich in die Person und Situation des Interview-Partners und freuen Sie sich über die Geschichte, schätzen Sie diese Geschichte wert und lieben Sie genau die Geschichte, die sich für Sie enthüllt.
  7. Verbinden Sie sich im Hören mit dem/der Werdenden
    Hören Sie das höchste Selbst Ihres Interview-Partners – ihrer/seiner höchsten zukünftigen Möglichkeit – hören Sie von diesem Ort aus zu – nicht wie sie/er heute ist, sondern horchen Sie auf ihr/sein sich entfaltendes zukünftiges Selbst.
  8. Bleiben Sie im Fluss
    »Lassen Sie alte Konzepte und Ideen los«. (Edgar Schein)
  9. Fragen
    »Konzentrieren Sie sich zuerst auf das Was, nicht auf das Warum oder konfrontative Fragen. Sie wollen in einen Fluss kommen, nicht in eine Debatte«. (Edgar Schein)
  10. Schweigen bringt etwas hervor
    Dies könnte Ihre wichtigste (und Ihre unscheinbarste) Intervention sein. Wenn Sie stillschweigen können Sie das Tempo verlangsamen und der Interview-Partnerin helfen, die tieferen Aspekte ihrer Geschichte, ihrer Arbeit, ihres Lebens zu ergründen; dieses generative Schweigen fordert ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit, Präsenz und Intention vom Interviewer.
  11. Fragen nach dem Weg, der Reise
    Wenn es passt, fragen Sie nach Biographischem (z.B. wie es dazu kam, genau diesen Beruf, diese Laufbahn zu wählen), fragen Sie, was sich in dieser Phase des Lebens entfalten will, durch sie in Verbindung mit dem sozialen Umfeld.
  12. Nach dem Interview
    notieren Sie gleich das Wichtigste, Essentielle, halten Sie Beobachtungen und Einsichten in Ihrem Tagebuch fest; schieben Sie nicht einmal kurze Telefonanrufe oder Gespräche zwischen das Interview und dem Aufzeichnen Ihrer Gedanken und Eindrücke; verwenden Sie einen gut strukturierten Prozess der Rückschau.